Nachlese | Experimentelles Filzlabor der FilzFrau Ricarda Aßmann
Das Gepäck, mit dem Ricarda Aßmann zu ihrem Workshop »Oberflächen-Spannung« in »kunst im souterrain« nach Wiesbaden anreiste, erinnerte an eine Weltreisende zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Als sie ihre wunderschönen, mit papiernen Hotelaufklebern versehenen Lederkoffer öffnete, quollen wahre Schätze an kunstvollen Proben, Mustern und Werken heraus, die jede Betrachterin berauschten.
Wir konnten uns kaum satt sehen und fühlen, und das Verlangen, alles ausprobieren zu können, war groß.
Da die Basis vieler Oberflächen, die Ricarda mitbrachte, ein Vorfilz war, galt die primäre Aufgabe der Schaffung eigener, belegt mit den unterschiedlichsten Materialien. Aus einem gemeinsam zusammen getragenen Fundus aus Seide, Organza, Garnen, Vintage- Tüchern oder Metallgeflechten wurden mit Nadelfilz oder gelegtem Kammzug als Arbeitsgrundlage unterschiedliche Vorfilze gestaltet. Neue, unbekannte Stoffe und artfremde Materialien wurden auf ihre Einfilzbarkeit erprobt, und, wenn sie sich nicht von selbst einfügen wollten, mit der Filznadel- oder Nähmaschine sanft überzeugt. Es wurde gesteppt, gesmokt, kardiert, genadelt und genäht, es gab kein Tabu, alles war erlaubt.
Denn dies, davon ist die FilzFrau überzeugt, ist der beste Weg, Neuland zu betreten, Eigenes zu entwickeln. »In der Betrachtung der Oberflächen kann man erkennen, welche jede einzelne besonders anspricht, um diese weiter zu erforschen und zu verfeinern.«
Während der zwei Kurstage zeigte und erläuterte Ricarda viele ihrer Kniffe und Tricks, das Ausgangsmaterial zu bearbeiten. Manche dieser Methoden wurden, wie sie immer wieder in Respekt für ihre Textil- und Filzkolleginnen und Kollegen betonte, nicht von ihr allein entwickelt – vielmehr scheinen weltweilt Filzschaffende an den gleichen Themen zu arbeiten und sich gegenseitig zu inspirieren. Und andere der aktuell so beliebten Oberflächenvariationen entstammen im Ursprung abgewandelten traditionellen Näh- und Quilttechniken oder Nachahmungen der Natur, wie ihre mitgebrachten Bildbände untermalten.
Der anfängliche Rausch setzte sich beim Filzen fort. Dies wollte noch ausprobiert werden und jenes war ja auch so interessant. So kam es, dass die meisten keine größere Arbeit begannen, sondern stattdessen lieber noch eine weitere Probe filzen wollten, im Hinblick auf spätere Umsetzung für eigene Projekte. Doch zu jeder Arbeit gehört ein ordentliches Finish. Hier kam Ricardas wundersamer Toolkoffer zum Einsatz, der jedem Profibaumarkt Konkurrenz machen kann. Er enthielt Zangen, Locheisen, Ahlen, Walk-, Form- und Schlaghölzer, Rasierer, Seile, Bürsten und dergleichen mehr. Wie der Koffer für die Hebamme, scheint er das wichtigste Utensil der Filzerin im Einsatz zu sein.
Abschließend plauderte sie noch aus ihrem Nähkästchen. Erläuterte die einzelnen Werkzeuge, ihre Herkunft und Einsatzmöglichkeit, und gab zahlreiche Tipps zum Versteifen von Filz, Blattgoldauflagen oder der Vermeidung von Pilling. Das Resümee der Teilnehmenden war ein großer Dank an die Kursleiterin und ihre offene Art zu dozieren — die Frauen wollen sich im kommenden Jahr in gleicher Runde wieder zu einem experimentellen Filzlabor mit ihr treffen. Dann aber mindestens drei Tage lang.
Andrea Noeske-Porada
www.filzfrau.de
www.kuimsou.de
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